Forderungen

0. Präambel

Dieser Forderungskatalog ist das Produkt eines breiten Beteiligungsprozesses von Studierenden der Hochschulen in Baden-Württemberg, die sich im Bereich der Gleichstellung einsetzen. Wir sprechen uns gegen eine enge Verwendung des Begriffs "Gleichstellung" aus, welche nur die Gleichstellung von Frau und Mann beinhaltet. Das Thema dieses Forderungskatalogs ist "Gleichstellung, Antidiskriminierung und Chancengleichheit", worunter die Beseitigung sämtlicher Formen von Benachteiligungen verstanden wird, beispielsweise aufgrund von Geschlecht, Herkunft, Religion, Kultur, Aussehen, sozialem Hintergrund, Lebenslage oder Krankheit. Zur Strukturierung untergliedert sich dieses Dokument in vier übergeordnete Themenbereiche: Geschlechterdiskriminierung (Sexualisierte Diskriminierung und Gewalt (SGD), Geschlechtervielfalt (LGBTQIA+)), Herkunftsdiskriminierung (verschiedene Rassismusformen), Chancengleichheit (Studierende aus weniger privilegierten und Nichtakademiker*innenfamilien) und Studieren in besonderen Lebenslagen (Studierende mit Familie, Krankheiten und Behinderungen).

Ziel dieses Katalogs ist es, die Forderungen und Projekte, die von engagierten Studierendenverterter*innen auf Hochschuleben vorangebracht werden, landesweit zu bündeln. Erfolgreich umgesetzte Maßnahmen, aktuelle Projekte und Problematiken sowie Ideen und Forderungen, die an den Hochschulen entstanden sind, werden hier zusammengefasst, um ein umfassendes Bild einer Bildungsinstitution zu zeichnen, an der die Bedürfnisse alle Studierenden berücksichtigt werden.

Im Erstellungsprozess wurden landesweit Studierende über die Kanäle der Landesstudierendenvertretung Baden-Württemberg eingeladen sich am Prozess zu beteiligen. In thematischen Untergruppen und über einen Zeitraum von drei Monaten wurde der Forderungskatalog verfasst. Des Weiteren wurde der Austausch mit Organisationen mit thematischer Expertise gesucht, um unsere Ideen zu ergänzen und die Forderungen auf eine solide fachliche Basis zu stellen.

Die Novelle des Landeshochschulgesetzes (LHG) vom 17. Dezember 2020 hat signalisiert, dass Gleichstellung, Antidiskriminierung und Chancengleichheit immer wichtiger für die Arbeit der Hochschulen werden. Die Novelle sieht vor, dass die Hochschulen Gleichstellungpläne aufstellen, die strategische Ziele enthalten und zu deren Erfüllung sich die Hochschulen verbindlich bekennen. Wir möchten diese Gelegenheit nutzen und mit unseren Forderungen die Hochschulen dabei unterstützen eine Gleichstellungsstrategie zu entwickeln, welche die Grundlage für die Gleichstellungspläne bildet.

Wir streben an, dass die Landesstudierendenvertretung Baden-Württemberg den Forderungskatalog in ihre Positionierung übernimmt und sich darüber hinaus ein breites Bündnis an Unterstützer*innen aus Privatpersonen und Organisationen bildet, welches sich für die Umsetzung der Forderungen einsetzt. Der Forderungskatalog richtet sich an die Landesregierung, insbesondere das Ministerium für Wissenschaft und Kunst (MWK), sowie alle Hochschulen in Baden-Württemberg und deren Zusammenschlüsse wie die landesweiten Rektor*innenkonferenzen.

Wir fordern die Landesregierung und Hochschulen des Landes mit diesem Forderungskatalog mit Nachdruck auf, ihre Anstrengungen, Ungerechtigkeiten im Studium abzubauen, zu intensivieren und mit der Umsetzung dieser Forderungen ein Klima der Toleranz und Diversität an den Hochschulen zu schaffen, sodass alle Studierenden die Chance auf ein erfolgreiches Studium ohne Benachteiligung haben.






1. Allgemeine Gleichstellungsarbeit

Die Gleichstellungarbeit umfasst viele Themenfelder, die alle unterschiedliche Dynamiken und Probleme haben und individuelle Lösungen benötigen. Trotzdem gibt es wiederkehrende Ansätze, welche die Möglichkeit bieten als gebündelte Maßnahmen für mehrere Themenfelder zu wirken.


Beratungsangebote ausbauen

1.1.1. Die Hochschulen sollen dedizierte Beratungsangebote für alle hier aufgeführten Formen von Diskriminierung anbieten und bestehende Beratungsangebote ausbauen.

Studierende haben sehr unterschiedliche Bedürfnisse. Während viele Studierende ohne besondere Hilfsangebote ihr Studium bestreiten können, müssen manche Herausforderungen meistern, die andere nicht haben. Im besten Fall geht es um zusätzliche Unterstützung für Studierende mit weniger Privilegien, im schlechtesten Fall geht es um persönliche Diskriminierung und physische Gewalt. Beratungsangebote sind die erste Anlaufstelle für Studierende, die Benachteiligung erfahren. Geschulte Berater*innen kennen die Situation der Studierenden und können Tipps geben oder weitere Angebote empfehlen.

Die Hochschulen haben zu einzelnen Themen bereits Beratungsstellen eingerichtet, teilweise sind diese an Studierendenwerke ausgelagert. Für manche andere Themen gibt es noch keine Beratung oder das Thema geht in der Menge der Aufgaben von Berater*innen unter, wenn diese für zu viele Themen gleichzeitig zuständig sind.

Die Hochschulen sollen dedizierte Beratungsangebote für folgende Gruppen anbieten:

  1. Opfer von sexueller Gewalt & Diskriminierung
  2. FINTA und LGBTQIA+ Studierende
  3. Studierende mit Migrationshintergrund
  4. Geflüchtete Studierende
  5. Religiöse Studierende
  6. Internationale Studierende
  7. Studierende aus Nichtakademiker*innenfamilien
  8. Studierende mit Kind
  9. Studierende mit chronischen Krankheiten oder Behinderungen


Einfacher und einheitlicher Zugang zu Beratung

1.1.2. Die Hochschulen sollen einen Beratungswegweiser einrichten, also eine zentrale Stelle, die einen Überblick über alle Beratungsangebote gibt und Studierenden auf passende Angebot verweist.

Ein gut ausgebautes Beratungsangebot kann seine Wirkung nur entfalten, wenn es auch zugänglich ist und Studierende wissen, dass sie Unterstützung bekommen können. Derzeit verhindern zwei Probleme, dass die Beratungsangebot effektiv genutzt werden können: Erstens sind die Beratungsangebote meist schwer auffindbar, weil es keine zentrale Übersichtsseite gibt. Nicht zuletzt aufgrund der unterschiedlichen Verantwortlichkeiten (bspw. Studierendenwerk oder Hochschule) sind die Angebote meist über viele Webseiten verstreut, welche Studierende nur finden, wenn zielgerichtet danach suchen. Zweitens wissen viele Studierende nicht, dass sie Beratungen in Anspruch nehmen können. Zum Beispiel wissen viele Studierende mit Erkrankungen nicht, dass Unterstützung bekommen können. Aber auch Studierende, die eine Behinderungen haben, wissen nicht immer, dass es dafür Unterstützungsangebot gibt. Um beide Probleme zu lösen müssen die Beratungsangebot einfacher zugänglich sein und der Zugang einheitlich sein.


Awareness steigern durch Öffentlichkeitsarbeit

1.1.3. Die Hochschulen sollen durch Öffentlichkeitskampagnen, die Awareness für verschiedene Formen von Diskriminierung stärken.

Beratungsangebote sind wichtig, sie wirken jedoch erst nachdem eine Benachteiligung sich manifestiert hatte und Bekämpfen die Symptome. Um die Ursachen von Benachteiligung zu bekämpfen und das Auftreten von Diskriminierung von vorneherein zu verhindern bedarf es struktureller Veränderungen. Nicht die Betroffenen selbst, sondern genau jene, die selbst nicht benachteiligt sind, müssen also Umstände herstellen, die niemanden ausschließen. Um den strukturellen Wandel an den Hochschulen zu ermögliche, bedarf es der Einbindung möglichst vieler Personen. Die gesamte Breite der Menschen an den Hochschulen muss für existierende Diskriminierungsformen sensibilisiert werden. Da der aktuelle Wissensstand noch zu gering ist, führt dies dazu, dass Diskriminierung bagatellisiert und normalisiert wird. So werden sexistische Witze in vielen Kreisen toleriert ohne zu beachten, dass diese die Rollenbilder zementieren, die schlussendlich zur Abwertung von Frauen führen.

Breit angelegte Öffentlichkeitskampagnen führen dazu, dass das allgemeine Bewusstsein für Diskriminierung steigt und sich mehr Menschen mit der Thematik auseinandersetzen. Studierende, die nicht selbst von Diskriminierung betroffen sind, bekommen eine Vorstellung davon, was anderen widerfährt und können so selbst aktiv werden und helfen Diskriminierung im Keim zu ersticken. Aber auch für Studierende, die selbst betroffen sind, trägt eine Öffentlichkeitskampagne dazu bei, dass sie die Beratungsangebote der Hochschule kennenlernen und so mit ihrer Diskriminierungserfahrung nicht alleine gelassen werden.


Kompetenz steigern durch Schulungen

1.1.4. Die Hochschulen sollen verpflichtende Schulungen zu Diskriminierungsformen für alle Angehörigen der Hochschule anbieten.

Öffentlichkeitsarbeit ist der erste Schritt zu mehr Awareness. Begleitend dazu sollte es jedoch Schulungsangebote geben, die mehr inhaltliche Tiefe bieten. Insbesondere  Verwaltungsmitarbeiter*innen mit Personalverwantwortung und das Lehrpersonal tragen eine besondere Verantwortung. Sie sollten deshalb verpflichtende Schulungen besuchen, die sie auf Diskriminierungsfälle während ihrer Tätigkeit vorbereiten. Darüber hinaus lernen sie in den Schulungen Benachteiligungen während ihrere Tätigkeit zu identifizieren und zu vermeiden. Für alle anderen Personengruppen soll es ebenfalls die Möglichkeit geben sich vertieft mit Diskriminierungsthemen zu befassen.


Gleichstellungsstellen erweitern

1.1.5. Die Hochschulen sollen die existierenden Gleichstellungstellen ausbauen und thematisch auf die Bereiche Gleichstellung, Antidiskriminierung und Chancengleichheit ausweiten.

Die Hochschulen sind gesetzlich verpflichtet eine Gleichstellungsbeauftragte und eine Ansprechperson für Antidiskriminierung zu benennen. Da diese in der gleichen Person vereint sein können, sind Gleichstellungsbeauftragte häufig überlastet. Außerdem ist die inhaltliche Ausrichtung zumeist auf die Gleichstellung von Mann und Frau beschränkt und auch Antidiskriminierung wird nicht umfassend gedacht. Um die oben genannten Maßnahmen durchzuführen und sich wirkungsvoll für Gleichstellung, Antidiskriminierung und Chancengleichheit im Sinne dieses Forderungskatalogs einzusetzen, sollen die Hochschulen die Gleichstellungsstellen ausbauen und ausreichend Ressourcen, insbesondere personelle Ressourcen, zu Verfügung stellen.


Gleichstellung als Teil der Hochschulstrategie

1.1.6. Jede Hochschule soll eine umfassende Diversitätsstrategie entwickeln und die Umsetzung durch die Beauftragung einer Person im Rektorat sicherstellen.

Öffentlichkeitsarbeit und Schulungen bilden den Kern bei der Bekämpfung von Benachteiligung, da sie geeignet sind den notwendigen strukturellen Wandel herbeizuführen. Beide Maßnahmen müssen aber in einen konzeptuellen Rahmen eingebettet werden. Die Hochschulen sollen eine umfassende Strategie entwickeln, die Maßnahmen, Leitlinien und Ziele vorgibt, wie Benachteiligung an den Hochschulen bekämpft werden soll. Gleichstellung muss Chef*innensache werden und fester Teil der Zukunftsplanung der Hochschulen sein sowie entsprechend in der Budgetplanung berücksichtigt werden. Die Hochschulen sollen eine Person im Rektorat benennen, die sich mit Gleichstellung beschäftigt. Weiterhin sollen die Hochschulen einen Senatsausschuss bilden, in dem Gleichstellungsthemen besprochen werden.

Unabhängig von der ethischen Verantwortung zu mehr Gleichstellung, nimmt die Bedeutung von Gleichstellung für die Attraktivität der Hochschule stetig zu. Bewerber*innen werden in Zukunft noch mehr darauf achten, ob eine Hochschule in Gleichstellungsrankings gut abschneidet. Gleichstellung ist also ein Differenzierungsmerkmal im Wettbewerb der Hochschulen, dies wird spätestens mit dem Aufkommen von Diversitätssiegeln und Rankings deutlich.


2. Geschlechterdiskriminierung

Die Zahlen von sexualisierter Gewalt und Diskriminierung (SGD) sprechen für sich: Mehr als jede zweite Frau widerfährt sexuelle Gewalt oder Belästigung (Quelle). Die Hochschulen bilden dabei keine Ausnahme und das Problem tritt dort sogar potenziell verstärkt auf, da sich Studierende und Mitarbeitende häufig in einem Abhängigkeitsverhältnis zu Lehrenden und Vorgesetzen befinden. Trotzdem ist das Bewusstsein für die Problematik gering, Delikte werden bagatellisiert und es herrscht ein Tabu über Vorfälle zu sprechen.


2.1. Awareness für Diskriminierung


Mitarbeiter*innenschulungen zu SGD

2.1.1. Alle Mitarbeiter*innen an Hochschulen sollen verpflichtend Schulungen zu SGD besuchen.

Das Bewusstsein über SDG ist bei vielen Menschen noch gering (Quelle). Insbesondere Lehrpersonen an öffentlichen Institutionen wie Hochschulen nehmen eine Vorbildsrolle gegenüber den Studierenden ein und tragen somit eine große Verantwortung. Deshalb müssen Mitarbeiter*innen an Hochschulen, insbesondere aber das Lehrpersonal, zu SDG geschult werden. In den Schulungen sollen problematische Verhaltensweisen diskutiert werden und gendersensible Alternativen erlernt werden. Die Schulungen beziehen sich vor allem darauf, wie die eigene Lehre diskriminierungsfrei gestaltet werden kann, aber auch darauf, wie Diskriminierung unter Studierenden aussieht und wie Lehrpersonen darauf reagieren können.


Aufklärung von Studierenden über SGD

2.1.2. Studierende sollten verpflichtend einmal im Jahr einen Aufklärungs- & Sensibilierungsworkshop zu SGD besuchen, der von den Hochschulen angeboten wird.

Auch unter den Studierenden ist das Bewusstsein für SGD immer noch zu gering, auch weil das Thema tabuisiert und nicht offen thematisiert wird. Viele Studierende verhalten sich mangels besseren Wissens sexistisch ohne sich der Wirkungen ihrer Handlungen bewusst zu sein. In den USA wurden deshalb flächendeckend an Colleges Aufklärungskurse zu SGD für Erstsemester eingeführt. Ähnlich dazu sollte es an Hochschulen in Baden-Württemberg für alle Studierenden verpflichtende Workshops zu SGD geben, in denen darüber gesprochen wird, was SGD ist, welche Formen und Verhaltensweisen diskriminierend sind und wie man als Betroffene*r/Beobachter*in mit SGD umgehen kann. Wiederkehrende Termin sind wichtig, damit das Thema nicht in Vergessenheit gerät.


2.2. Evaluation von Diskriminierung


SGD als Aufgabe des Qualitätsmanagements

2.2.1. Das Qualitätsmanagement an den Hochschulen muss diskriminierungsfreie Lehre als Qualitätskriterium aufnehmen und erfassen.

Zur Qualität von Lehre und Forschung an Hochschulen gehört auch, dass sie keine Personengruppen diskriminiert. Das Qualitätsmanagement stellt durch unterschiedliche Methoden wie Evaluationen sicher, dass Lehre und Forschung qualitativ hochwertig sind. Im Zuge dessen muss das Qualitätsmanagement auch Diskriminierungsfreiheit als Qualitätskriterium aufnehmen, dieses Kriterium erfassen und darauf hinwirken, dass das Hochschulwesen diskriminierungsfrei abläuft.


Evaluation von Diskriminierung in Lehrveranstaltungen

2.2.2. Bestehende (Veranstaltungs-)Evaluationen sollten abfragen, ob sich Personen in der Veranstaltung diskriminiert gefühlt haben. Bei problematischen Ergebnissen müssen Maßnahmen gegen die Lehrpersonen eingeleitet werden.

Lehrende haben eine Vorbildsrolle inne und befinde sich in einer Machtposition gegenüber Studierenden. Deshalb ist es besonders wichtig, dass Lehrende ihre eigene Lehre diskriminierungsfrei gestalten. Um dies sicherzustellen, muss Studierenden die Möglichkeit gegeben werden sich zur Diskriminierungsfreiheit der Veranstaltung zu äußern. Die Lehrevaluation stellt einen geeigneten Weg dar, da sie anonym ist und von Studierenden nicht erwartet werden kann sich in Lehrveranstaltungen zu äußern und die Lehrenden vor dem gesamten Publikum zu kritisieren. Wichtig ist auch, dass die Ergebnisse der Lehrevaluation weiterverarbeitet werden. Die Freiheit der Lehre ist in jedem Fall zu wahren, sie darf aber nicht dem Diskriminierungsverbot widersprechen. Deshalb müssen Maßnahmen eingeleitet werden, wenn Lehrevaluationen darauf hindeuten, dass es Diskriminierung in Lehrveranstaltungen gab.

"Maßnahmen gegen die Lehrpersonen" finde ich eine sehr agressive Formulierung. Im erklärenden Text ist nur von Maßnahmen die Rede. Das ist m.E. konstruktiver. Eine Maßnahme z.B. zur Sensibilisierung wäre ja nicht gegen einen Menschen gerichtet.

Diskriminierungsevaluation unter Studierenden & Mitarbeitenden

2.2.3. Die Hochschulen sollten einmal jährliche eine allgemeine, anonyme Diskriminierungsabfrage starten, bei der Personen von diskriminierenden Erfahrungen berichten können.

Während Lehrevaluationen meist kurz gehalten und standardisiert sind und sich nur auf die Lehre beziehen, muss darüber hinaus eine allgemeine Diskriminierungsfrage durchgeführt werden, bei welcher alle Personen an der Hochschule (Studierende & Mitarbeitende) kontaktiert werden und gebeten werden von ihren Diskriminierungserfahrungen zu berichten. Die Abfrage hilft dabei ein detailliertes Bild über die aktuelle Diskriminierungslage zu erhalten. Außerdem ruft sie das Thema aktiv ins Bewusstsein der Allgemeinheit und bietet die Möglichkeit die Antidiskriminierungsstelle der Hochschule zu bewerben. Die Ergebnisse müssen ausgewertet werden und Gegenmaßnahmen ergriffen werden.


2.3. Angebote und Hilfe schaffen


Pseudoanonymisierung von Klausuren

2.3.1. Klausuren sollen pseudoanonym sein, indem die zu prüfende Person ausschließlich ihre Matrikelnummer angibt und keine Rückschlüsse auf den Prüfling durch Lehr- und Prüfpersonal sowohl bei der Bewertung, als auch bei der Noteneintragung gezogen werden können.

Sind Rückschlüsse auf z.B. Geschlecht, Herkunft, Zugehörigkeit zu einer marginalisierten Gruppe, Alter oder andere persönliche Umstände möglich, kann es durch bewusste Diskriminierung oder unbewusste kognitive Verzerrungen nachweislich zu Benachteiligung oder Bevorzugung kommen. Bei Gruppenzuschreibungen sind dies vor allem Stereotype und Favorisierung der Eigengruppe, bei persönlicher Kenntnis des Prüflings aber auch Sympathieeffekte, Halo-Effekt (=Rückschluss von bekannten Eigenschaften auf weitere unbekannte aber ähnlich bewertete Eigenschaften, z.B. "Person A schreibt immer mit → Person A ist schlau") und Confirmation Bias (=Informationen werden so ausgewählt und interpretiert, dass diese die eigenen Erwartungen erfüllen). Besonders bei Fortführung der Lehrtätigkeit nach einer Prüfung ist eine Andersbehandlung durch Kenntnis des Leistungsstandes nicht ausgeschlossen (z.B. Pygmalion- bzw. Golem-Effekt). 

Weitere Berichterstattung und Studien zum Thema hier und hier.


Kostenfreie Menstruationshygieneprodukte

2.3.2. Auf den Toiletten der Hochschulen sollen kostenlose Menstruationshygieneprodukte zu Verfügung stehen

Menstruationshygieneprodukte stellen eine zusätzliche finanzielle Belastung für viele Studierende dar. Ohnehin finanziell schwache Studierende stehen am Monatsende regelmäßig vor der Entscheidung, ob das Geld noch für diese Produkte reicht. Studierende, deren Menstruation unerwartet einsetzt sehen sich oft gezwungen die Hochschule zu verlassen und verpassen wichtige Lerninhalte, nur weil sie keine Hygieneprodukte zur Hand haben. Wir wollen ein Klima der Chancengleichheit schaffen, bei der die Menstruation nicht dem Lernerfolg im Wege steht. Deswegen fordern wir kostenlose Menstruationspflegeprodukte in allen Toiletten der Hochschulen Baden-Württembergs. Dabei setzten wir auf ein solidarisches System, bei dem die kostenlose Produkte nur bei Bedarf aus den oben genannten Gründen genutzt werden. Um auf die Bedürfnisse von Trans*Personen einzugehen sollen diese Produkte explizit auch in Männer-Toiletten zur Verfügung stehen, sowie eine geeignete Entsorgungsmöglichkeit in jeder Toilette.


Rückzugszimmer ausbauen

2.3.3. Das Angebot von Rückzugszimmern, wie beispielsweise Eltern-Kind-Zimmern, sollte ausgebaut werden.

An einigen Hochschulen des Landes gibt es für Eltern, die ihre Kinder versorgen, spezielle Rückzugsorte sogenannte "Eltern-Kind-Zimmer". Wir fordern, dass dieses Angebot ausgeweitet wird. Zum Einen sollen diese in mehr Gebäuden angeboten werden, um lange Fußwege zu vermeiden, zum Anderen sollen diese auch von in Not geratene Studierenden und Mitarbeitenden genutzt werden dürfen. Da diese Räume häufig durch Verwaltungsangestellte oder beauftragte Personen betreut werden und diese Personen häufig in der Nähe dieser Räume arbeiten, sind sie als Rückzugsort für Studierende und Mitarbeitenden besonders geeignet. Werden diese belästigt, haben Angst oder werden im schlimmsten Fall gestalkt und verfolgt, finden Sie hier einen sicheren Ort der Zuflucht. Es ist leider kein Einzelfall, dass Studierenden an der Hochschule von vermeintlichen Verehrern nachgestellt werden. Die Verantwortlichen angestellten können als erste Ansprechperson fungieren, an die Zufluchtsuchende sich bei Bedarf wenden können und die die Situation beaufsichtigen können. Zusätzlich ist es wichtig an den Hochschulen diese Räume bekannter zu machen, sodass Mitarbeitende und Studierende in der Nähe dieser Räume sich dessen bewusst sind und Zivilcourage zeigen und sich bei Probleme einmischen und helfen.


2.4. Hochschule für alle Geschlechter

Spätestens mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Oktober 2017 ist klar: Es gibt mehr als zwei Geschlechter und öffentliche Institutionen haben dafür Sorge zu tragen, dass niemand aufgrund der eigenen Geschlechtsidentität diskriminiert wird. Die Thematik ist dabei längst kein Randphänomen mehr. Deutschlandweit wird der Anteil von Menschen, die sich als queer identifizieren auf 7.4 % geschätzt (Quelle). Unter Studierenden liegt dieser Anteil höchstwahrscheinlich deutlich höher. Insbesondere inter* und trans* Personen, also Personen die sich entweder weder als männlich oder weiblich einordnen lassen (inter) oder Personen, die sich einem anderen Geschlecht zugehörig fühlen als es ihnen bei der Geburt eingetragen wurde, erfahren schwere Diskriminierung, weil ihnen große Hürden auferlegt werden, um ihre Geschlechtsidentität ausleben zu können.


Genderneutrale Sprache

Sprache prägt auch unsere Wahrnehmung. Ein bewusster Sprachgebrauch trägt aktiv zu einer diskriminierungsfreien und einer inklusiven Gesellschaft bei. Hierbei kann sie auch zu einer Gleichstellung aller Geschlechter und zu einer wertschätzenden Ansprache beitragen. Genderinklusive Sprache und Schreibweise erkennen an, dass es mehr als zwei Geschlechter gibt. Dies ist seit Ende 2018 im deutschen Gesetz verankert und sollte dementsprechend in allen Behörden und Institutionen berücksichtigt werden. 

Geschlechtsidentitäten und geschlechtliche Ausdrucksweisen sind vielfältig. Eine genderinklusive Sprache trägt zur Vermeidung von Missverständnissen und Diskriminierungen bei.

Wir halten daher die Verwendung von gendergerechten Sprache u.a. in folgenden Kontexten für sinnvoll, wobei wir uns auch für die Verwendung des Gendersternchen ( * ) aussprechen:

  • offizielle Texte (z.B. Studienordnungen, Struktur- und Entwicklungsplan, Leitfäden)
  • Urkunden und Formulare (z.B. Zeugnisse, Antragsformulare, Anmeldungsformulare)
  • Rundschreiben
  • Homepage
  • Ankündigungen
  • Lehrveranstaltungsfolien






Namensanpassung / Geschlechtseintrag

2.4.1. Die Hochschulen sollen die individuelle Geschlechtsidentität jeder Person anerkennen und die Gleichstellung aller Geschlechter, also insbesondere auch von trans-, inter- und nonbinary-Personen, durchsetzen.

2.4.2. In allen Formularen, die das Geschlecht abfragen, muss es mindestens die Optionen "männlich", "weiblich", "divers" und "keine Angabe" geben.

2.4.3. Die Hochschulen sollen es Studierenden ermöglichen ihren Vorname und Geschlechtseintrag gemäß ihrer Identität anzupassen.

Am 10.10.2017 fällte das Bundesverfassungsgericht den Beschluss, dass das Fehlen eines positiven Geschlechtseintrags für Menschen, die sich weder dem männlichen noch weiblichen Geschlecht zuordnen als Grundrechtsverletzung einstuft. Hierbei bezog sich das Bundesverfassungsgerecht auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht.

Dennoch ist unsere Gesellschaft noch sehr stark durchgezogen von cis-normativen Vorstellungen von Geschlecht, sodass viele Trans-, Inter- und Nonbinäre Menschen mit täglichen Diskriminierungen konfrontiert werden. Gerade die Studienzeit ist eine sehr wichtige Phase für junge Menschen. An den Hochschulen kommt es durch fehlende Sensibilisierung häufig zu Zwangs-Outings und anderen diskriminierenden Fällen. Darüber hinaus ist es oft beinahe unmöglich für Personen ihren eingetragenen Namen und das Geschlecht zu ändern bzw. ist dieses Vorhaben mit großen Hürden verbunden.

Wir unterstützen daher die Inhalte und Forderungen der AG trans*emanzpatorischen Hochschulpolitik und möchten, dass Baden-Württemberg diese umsetzt. Wir verweisen insbesondere darauf, dass es schon einige Hochschulen gibt, die diese Forderungen umgesetzt haben und dass Namens- und Geschlechtsänderungen sowohl aus rechtlicher Perspektive als auch aus technischer Perspektive umsetzbar sind (Quelle). Das vollständige Thesenpapier sowie weitere Materialien finden sich hier.


Pronomen

2.4.4. Die Mitglieder der Hochschulgemeinschaften sollten dazu aufgefordert werden im Schriftverkehr und bei Vorstellung ihr bevorzugtes Pronomen anzugeben.

Die Angabe des präferierten Pronomens (z.B. "Max Mustermann (kein Pronomen)" oder "Kim Feli (sie/ihr)") verhindert Falschzuschreibungen, Fremd-Outings und kann Diskriminierung vorzubeugen. Außerdem trägt die Nennung des Pronomens dazu bei das Bewusstsein dafür zu erhöhen, dass Geschlechtsidentitäten individuell verschieden sind. Sie sind nicht auf den ersten Blick erkennbar und das Geschlecht einer Person sollte nicht ohne Nachfrage angenommen werden.


Unisex-Toiletten

2.4.5. Die Hochschulen sollen flächendeckend aber nicht ausschließlich Unisex-Toiletten einrichten.

Immer mehr Hochschulen bauen ihre Unisex-Toiletten aus, um eine Zeichen gegen Diskriminierung zu setzten. An manchen Universitäten des Landes ist das Angebot jedoch noch nicht oder nur unzureichend vorhanden. Unisex-Toiletten sind besonders für Inter*, Trans* und Nicht-binäre Personen wichtig, damit diese sich nicht zwischen Frauen- und Männertoiletten entscheiden müssen und Gefahr laufen dort nicht willkommen zu sein. Diese Gefahr ist real und es gab schon derartige Vorkommnisse, bei denen Trans*Personen aufgefordert wurden eine Toilette zu verlassen. Manche Universitäten argumentieren, dass Inter*, Trans* und Nicht-binäre Personen die barrierefreien Toiletten nutzen können. Wir finden das kein ausreichendes Angebot, da die auf diese Weise künstlich geschaffene Assoziation von Behinderung und Geschlechtervielfalt zur zusätzlichen Pathologisierung von Trans*, Inter* und nicht-binären Menschen führt. Unisex-Toiletten können darüber hinaus für alle Studierende bereichernd sein. Durch das Angebot von Unisex-Toiletten werden bei Veranstaltungen lange Warteschlagen vermieden und die Gleichberechtigung gefördert. Zusätzlich findet man an Instituten vor allem technischer Universitäten folgende Situation wider: eine Männer-Toilette findet man in jedem Stockwerk, eine Frauen-Toilette nur in jedem dritten Stockwerk. Um diese Ungerechtigkeit zu vermeiden, kann eine Unisex-Toilette die geeignete Lösung sein. Gleichzeitig haben wir Verständnis, dass nicht alle eine Unisex-Toilette bevorzugen und fordern daher, dass sowohl Frauen- und Männertoiletten, als auch mindestens eine Unisex-Toilette pro Universitätsgebäude angeboten wird.


Hochschulgesetz für alle

2.4.6. Das Landeshochschulgesetz soll sich nicht nur für Frauen und Männer, sondern für die Gleichstellung aller Geschlechter einsetzen und diese auch explizit erwähnen.

Im bisherigen Landeshochschulgesetz für Baden-Württemberg ist durchgängig von Männern und Frauen die Rede. Die Gleichstellung dieser Geschlechter wird gefordert, jedoch ohne zu erkennen, dass damit andere Geschlechter weiter diskriminiert werden. Gemäß dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes und dem eingangs erwähnten Urteil des Bundesverfassungsgerichts haben alle Geschlechter einen Anspruch auf Gleichbehandlung und die Hochschulen die Pflicht diese durchzusetzen. Dies soll der Gesetzestext auch explizit so benennen, indem er die Existenz von mehr als zwei Geschlechern anerkennt und deren Gleichbehandlung fordert.


3. Herkunftsdiskriminierung

3.1. Rassismus

Rassismus ist eine Ideologie, die Menschen aufgrund ihres Äußeren, ihres Namens, ihrer (vermeintlichen) Kultur, Herkunft oder Religion abwertet. In Deutschland betrifft das nicht-weiße Menschen – jene, die als nicht-deutsch, also vermeintlich nicht wirklich zugehörig angesehen werden. Wenn Menschen nicht nach ihren individuellen Fähigkeiten und Eigenschaften oder danach, was sie persönlich tun, sondern als Teil einer vermeintlich homogenen Gruppe beurteilt und abgewertet werden, dann ist das Rassismus.

Wir verurteilen jedmögliche Diskriminierung aufgrund von Hautfarbe, Ethnie oder Religion und plädieren auf Chancengleichheit für Studierende mit unterschiedlichen sozialen, ökonomischen und kulturellen Hintergründen Bildungschancen unabhängig von der jeweiligen Herkunft. 

Hochschulen sollen durch eine diversitätssensible Gestaltung von Lehre und Studium, Beratung und Betreuung der zunehmenden Diversität der Gesellschaft und der Studierenden Rechnung tragen. Das bedeutet Bedingungen zu schaffen, in denen sich alle vom Studium, über Administration bis zur Forschung optimal entfalten und entwickeln können. Dies impliziert auch, dass Strukturen diskriminierungsfrei sein müssen. Somit sehen wir Diversity als Querschnittsaufgabe.

Das Diversity-Konzept soll auf einem interdependenten Verständnis von Chancengleichheit, Bildungsgerechtigkeit, Antidiskriminierung und Förderung von Vielfalt beruhen. Somit sollen

  • soziale, ökonomische und kulturelle Hintergründe von Bildungschancen entkoppelt werden
  • strukturelle Barrieren identifiziert und abgebaut werden
  • Schulungen zur Sensibilisierung zur Thematik verpflichtend gemacht werden
  • gezielte Empowerment-Maßnahmen geschaffen werden
  • Mitglieder in ihrer Diversität auf allen Organisationsebenen sichtbar sein

3.1.1. Die Hochschulen sollen hochschulweite Diversitätsskonzepte u.a. für Lehre, Studium und Forschung entwickeln.

Um dies umzusetzen, halten wir die Einführung von Diversitäts-Audits bzw. die Erstellung verpflichtender Diversitätskonzepte an baden-württembergischen Hochschulen für sinnvoll. Insbesondere erachten wir hierbei folgende Kriterien als relevant:

  • Die Audits sollten wissenschaftlich begleitet werden, um eine Status Quo Übersicht der Situation an baden-württembergischen Hochschulen zu erhalten und etwaige kritische Punkte zu identifizieren
  • sowohl das Begleiteam des Audits als auch die Taskforce an den Hochschulen vor Ort sollen die zu berücksichtigenden Diversitätsdimensionen so gut wie möglich abdecken. Teams, die Diversität umsetzen sollen, aber selbst nicht divers sind, sehen wir insgesamt als kritisch.
  • Studierende sollen in dem Verfahren so weit wie möglich eingebunden werden, denn sie stellen die potentiellen zukünftigen Forschenden und Lehrenden dar

3.1.2. Die Hochschulen sollen Beratungs- und Beschwerdestellen für rassistishe Diskriminierung einrichten, sowie Vernetzung fördern.

Um einen sicheren Raum für die Belange von von Rassismus betroffenen Studierenden zu schaffen, sollte eine Beratungs- und Beschwerdestelle eingerichtet werden, die leicht zugänglich ist (z.B. durch regelmäßige offene Sprechstunden und einer anonymen Meldemöglichkeit) und durch Menschen besetzt ist, die thematisch und persönlich erfahren sind.

Desweiteren müssen aktiv Möglichkeiten geschaffen werden, die die Vernetzung und den gegenseitigen Austausch Betroffener fördern. Hierzu sind nicht nur Fördermittel bereitzustellen, sondern auch für ein diskriminierungsfreies Umfeld zu sorgen.

Forschung zu Rassismus an Hochschulen in BaWü ausweiten und etablieren

3.1.3. Die Hochschulen sollen mehr Foschung zu Rassismus betreiben, um die existierende Wissenslücke zu schließen.

Um Rassismus zu erkennen und dekonstruieren zu können, ist es wichtig diesen auch zu verstehen. Hierzu gehört auch, dass Studien, Daten und Auswertungen speziell zu Deutschland und Baden-Württemberg vorliegen. Ohne diese ist das Verständnis und die Ableitung von Maßnahmen für eine diskriminierungsfreie Gesellschaft nicht möglich. Schaut man sich allerdings die Forschung zu Rassismus in Deutschland im Vergleich zu Staaten wie USA, Groß-Britannien oder Frankreich an, ist eine große Lücke zu entdecken. Es braucht aktuelle Studien und Belege.

Daher setzen wir uns für die Ausweitung von Rassismusforschung an Hochschulen in Baden-Württemberg ein. Diese könnte enthalten:

  • Erstellung von Studien und Lage-Berichten zu rassismusspezifischen Themen in Baden-Württemberg und Deutschland mit Berücksichtigung von Mehrfahrdiskriminierungen
  • spezifische Themensetzungen
  • Aufarbeitung kolonialistischer Inhalte an den Hochschulen
  • Begleitung und Beratung des geplanten Aktionsplan gegen Rassismus der Landesregierung
  • Etablierung rennomierter Studien, wie etwa die Leipziger Autoratismus-Studie

Zusätzlich sollte auf diesem Forschungsfeld die Repräsentation von von Rassismus betroffener Menschen unbedingt erfüllt sein.

3.1.4. Die Hochschulen sollen ihre Lehrinhalte auf rassistische Narrative überprüfen

Einige Studieninhalte basieren noch auf Wissen aus der Kolonialzeit. Dementsprechend wird hier oft Rassismus reproduziert. Daher müssen diese Inhalte fachlich überprüft und angepasst werden. Aber auch darüber hinaus finden sich rassistische Narrative in Studieninhalten wieder.

3.1.5. Diskriminierung und Rassismus bei der Zusammenarbeit mit außereuropäischen Forschungspartnern muss vermieden werden

Es soll keine Unterscheidung zwischen der Zusammenarbeit mit europäischen und außereuropäischen und insbesondere Forschungspartner*innen aus dem globalen Süden geben. Wir stellen uns entschieden dagegen, dass zum Beispiel das Spesenbudget unterschiedlich bemessen wird. Forschung muss mit Respekt und auf Augenhöhe geschehen.

alternative Überschrift "Diskriminierung aufgrund von Rassismus, Antisemitismus, Gadjé-Rassismus und Migrationshintergrund"

→ Haben wir keinen Abschnitt zu Islamophobie?)





























Forschung/Evaluation: Themenübergreifend oder doch bei jedem Thema?









3.2. Antisemitismus

Antisemitismus ist eine bestimmte Wahrnehmung von Jüd*innen, die sich als Hass gegenüber Jüd*innen ausdrücken kann. Der Antisemitismus richtet sich in Wort oder Tat gegen jüdische oder nichtjüdische Einzelpersonen und/oder deren Eigentum sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen oder religiöse Einrichtungen.

Um das Judentum in Deutschlands Hochschulen präsenter zu machen, gibt es Vorschläge, die mit Hilfe der Jüdische Studierenden Union Deutschland (JSUD) ausgearbeitet wurden.

Feiertage respektieren

3.2.1. Es soll ein landesweiter Kalender mit Feiertagen des Judentums, Islam, Christentums und anderen Religionen eingerichtet werden.

3.2.2. Es soll keine Klausuren und Examen an jüdischen Feiertagen und anderen religiösen Feiertagen geben

Da das Judentum die einzige Religion mit einem dogmatischen Schreibverbot an Shabbat und den Feiertagen ist, sollen bei konkreten Fällen Alternativterminen geschaffen werden. Religionsfreiheit sollte an der Universität gegeben sein und jüdischen Menschen dürfen dadurch nicht benachteiligt werden.

Beispielsweise setzte die Universität Heidelberg den jährlichen Test für medizinische Studiengänge (TMS) bundesweit an 50 Orten regelmäßig an einem Samstag an – ohne Ersatztermin. Der Test verbesserte die Chance auf einen Studienplatz. Auch der Staatsexamenstermin für Medizinstudiengänge lag schon mehrmal auf Jom Kippur.

Antisemitismus bekämpfen

3.2.3. Die Hochschulen sollen die IHRA-Arbeitsdefinition von Antisemitismus adaptieren.

3.2.4. Die Hochschulen sollen sich gegen den BDS und ihre Unterstützer*Innen positionieren.

Keine Finanzierung und keine Räumlichkeiten der Hochschulen für den BDS. Siehe anbei Resolution: https://www.fzs.de/positionen/feminismus-antidiskriminierung/gegen-antisemitismus/ Diese wurde mittlerweile auch von der HRK angenommen.

BDS ist eine Organisation die sich zum Hauptziel macht Israel zu boykottieren. Israel wird unteranderem mit einem Apartheid Staat verglichen und die Diskussion über Israelische Politik mit Jüdischen Mitbürger*innen in Deutschland verbunden. Dadurch müssen sich viele Juden und Jüdinnen für politische Entscheidungen, die sie nicht mal betreffen rechtfertigen und werden dadurch ebenfalls oft diskriminiert oder antisemitisch angegangen.

Unterstützung von jüdischen Studierenden

3.2.5. Es soll eine Ansprechperson für jüdische Studierende pro Region oder für ganz Baden-Württemberg eingerichtet werden.

Dies hat den Hintergrund dass Auseinandersetzungen zu Themen und Vorfällen wie Antisemitismus, aber auch Inklusion, oft ohne Austausch mit jüdischen Studierenden stattfinden.

3.2.6. Die Hochschulen sollen mit BJSB und JSUW zusammenarbeiten, um die Bedürfnisse von jüdischen Studierenden zu ermitteln.

3.2.7. Die Hochschulen sollen mehr mit jüdischen Studierenden zusammenarbeiten, um deren Belange zu erfahren.

Mögliche jüdische Institutionen für die Zusammenarbeit könnten das ZWST-Kompetenzzentrum  oder die OFEK-Beratung sein.







Gibt schon so nen Kalender, wird zB an der DHBW Stuttgart ausgelegt und ausgehängt. Larah

→ Sollte hier vllt allgemein für alle anderen Religionen auch das mit der Alternativlösungen für Klausurterminen geben?








3.3. Gadjé-Rassismus

Der Begriff Gadjé-Rassismus bezeichnet sowohl jene Bilder und Vorurteile, die sich Menschen von vermeintlichen „Zi****ern“ machen, als auch die daraufhin folgende Diskriminierung, Ausgrenzung und Verfolgung. Aktuell wird in Communities von Sinti*zze und Rom*nja der Begriff "Antizi*anismus" kritisch diskutiert, da dieser sich auf die diskriminierende Bezeichnung der betreffenden Gruppen stützt. Wir verwenden daher auch den Begriff des Gadjé-Rassismus. Die Wirkungsweise von Gadjé-Rassismus liegt in einer Homogenisierung, Stigmatisierung und Reduzierung der betroffenen Individuen auf die Mitgliedschaft in einer so konstruierten Gruppe der „Zi****er“, der etwa deviante, vormoderne oder archaische Eigenschaften zugeschrieben werden.

Zu den Folgen zählen gesellschaftliche, staatliche und institutionelle Diskriminierung in Bereichen wie Bildung, Arbeit, Gesundheit und Wohnen bis hin zu physischer Gewaltanwendung. Als Begriff ist Antiz*ganismus in der deutschen Bürgerrechtsbewegung erst 20 Jahre, als Erscheinung mehr als 500 Jahre alt. 

3.3.1. Die Hochschulen sollen sich offiziell gegen Gadjé-Rassismus positionieren.

3.3.2. Die Aufklärung über Sinti*zze und Rom*nja an Hochschulen soll gefördert werden

3.3.3. Die Hochschulen sollen Kooperation mit Betroffenen und Beauftragten suchen und die Sensibilisierung der Hochschulgemeinschaft durch zusätzliche Veranstaltungen mit Sinti*zze und Rom*nja vorantreiben.

Weitere Informationen sind beim Verband deutscher Sinti*zze und Rom*nja zu finden.


3.4. Studierende mit Migrationshintergrund

Eine Person hat einen Migrationshintergrund, wenn sie selbst oder mindestens ein Elternteil nicht mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren wurde. Im Einzelnen umfasst diese Definition zugewanderte und nicht zugewanderte Ausländerinnen und Ausländer, zugewanderte und nicht zugewanderte Eingebürgerte, (Spät-) Aussiedlerinnen und (Spät-) Aussiedler sowie die als Deutsche geborenen Nachkommen dieser Gruppen.

In Deutschland hat gut jede vierte Person einen Migrationshintergrund – in Westdeutschland galt dies im Jahr 2019 für 29,1 Prozent und in Ostdeutschland für 8,2 Prozent der Bevölkerung.


Soziales

Menschen mit Flüchtlingshintergrund, die an Hochschulen studieren bzw. studieren wollen, haben oft die Schwierigkeit, auf neue Menschen zuzugehen und somit sich im universitären Leben einzubringen. Ein Grund dafür ist, dass sie die Befürchtung in sich tragen, ihre Migrationsgeschichte diesen neuen Menschen erzählen zu müssen und falls sie diese erzählen, anders dadurch angesehen zu werden. Sie fühlen sich in bestimmten Gruppen, dominiert durch die Mehrheitsgesellschaft, nicht wohl. Darum verbringen sie meist nur mit den Menschen Zeit, die ähnliche Erlebnisse wie sie gehabt haben.

Um eine tolerante, diverse Gesellschaft zu erreichen, in der sich alle willkommen fühlen können und in diversen Hinsichten entfalten können, sollten vor allem Hochschulen zur Repräsentation genau dieser Mitbürger*innen beitragen.  

3.4.1. Die Hochschulen sollen geflüchtete Studierende und Studierende mit Flüchtlingsmigrationshintergrund stärker fördern

3.4.2. Die Hochschulen sollen mehr Aufklärung zu Themen wie Migration, Flucht und Diaspora betreiben

3.4.3. Menschem mit Migrationshintergrund sollen in Ämtern der Hochschulen repräsentiert sein

Repräsentation an Hochschulen fördern durch einsetzen von Personen mit Migrationshintergrund in die Hochschulstrukturen. Vorallem für die die Sichtbarkeit genau dieser Studierenden ist es wichtig zu zeigen dass der Hochschulapparat nicht mehr nur die Mehrheitsgesellschaft repräsentiert. 

3.4.4. Budgets für PartofUs-Programme für Migration und Diversität sollten an jeder Hochschule etabliert werden.

3.4.5. Für geflüchtete Menschen sollen Beratungsstellen (insbesondere psychologische und rechtliche Beratungsstellen) etabliert werden.

3.4.6. Der Zugang zu Sprachprogrammen und Kinderbetreuung sollte vereinfacht werden.


Finanzielles

Studierende mit Migrationshintergrund haben öfter eine schwierigere finanzielle Lage als Studierende ohne Migrationshintergrund und ihre Chancen auf bestimmte Berufe werden durch gesellschaftliche Normen und teils auch Diskriminierung vermindert. BPB Zahlen

Im Jahr 2019 war das Armutsrisiko von Personen mit Migrationshintergrund mehr als doppelt so hoch wie das von Personen ohne Migrationshintergrund (27,8 gegenüber 11,7 Prozent). Die Forderungen hierzu finden sich in Kapitel 4.


3.5. Internationale Studierende

Internationale Studierende bringen Vielfalt. Durch die Gestaltung von Hochschulen als Ort von interkulturellem Austausch und Zusammenarbeit entsteht eine Bereicherung des Studien- und Forschungslebens. Davon profitieren nicht nur Hochschulen, sondern auch das Land: denn dadurch expandiert langfristig ein internationales Netzwerk, und es etabliert sich eine Toleranzkultur, die Diskriminierungen in der Gesellschaft entgegenwirkt, wovon auch die Wirtschaft und Gesellschaft profitieren.

Statistiken zeigen jedoch, dass der Anteil internationaler Studierender in Baden-Württemberg unter dem Durchschnitt Deutschlands liegt [Quelle], was dafür spricht, dass das große Potenzial des Bundeslandes nicht komplett ausgenutzt wird. Außerdem ist die Abbruchquote internationaler Studierender in Baden-Württemberg sehr hoch: Sie liegt bei 45% im Bachelor und 29%  im Master [2018, Quelle,].  Diese Fakten deuten daraufhin, dass die Landesregierung und Hochschulen einen besonderen Wert darauf legen müssen internationale Studierende in verschiedenen Hinsichten - rechtlich, finanziell, sozial und psychologisch - zu fördern und ihre Bedingungen während des Studiums zu verbessern. Es soll eine Willkommenskultur an Hochschulen kultiviert und belebt werden. Dieses Handeln sollte dem Land die Gelegenheit bieten, auf Dauer von Diversität auf wissenschaftlicher, wirtschaftlicher, kultureller und auch weiteren Ebenen mehr zu profitieren sowie das Interesse neuer internationaler Studierender zu gewinnen. Ferner sollte dies den Student*innen ermöglichen, eine dauerhafte Bindung zum Land aufzubauen, in welchem sie ihre Bildung absolviert haben.


Studiengebühren

3.5.1. Die Studiengebühren für internationale Studierende sollen abgeschafft werden.

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Seit dem Wintersemester 2017/18 müssen internationale Studierende in Baden-Württemberg nach dem Landeshochschulgebührengesetz (LHGebG) Gebühren in Höhe von 1500 Euro pro Semester zahlen (Quelle). Seit der Einführung gibt es einen Rückgang der Anzahl von internationalen StudienanfängerInnen (21311-0014.xlsxQuelle: Statistisches BundesamtQuelle 1, Quelle 2). Baden-Württemberg ist auch das einzige Bundesland, in dem es ein Rückgang der nicht EU-Studierenden im ersten Fachsemester zwischen den Studienjahren 2016/17 und 2019/20 gab. Aus den Daten wird ersichtlich, dass die Gebühren aus Baden-Württemberg ein deutlich weniger attraktives Studienziel für internationale Studierende machen. Durch die Gebühren werden Studierende auf Basis ihrer Staatsangehörigkeit benachteiligt. Die Gebühren sind in der jetzigen Form zu hoch und es entsteht dadurch eine deutlich höhere Herausforderung, das Studium zu finanzieren. Die Frage nach der Finanzierung der Studiengebühren sollte bei der Hochschulwahl von internationalen Studierenden kein Argument gegen Baden-Württemberg sein. Durch die Abschaffung würde für das Land wieder die Möglichkeit entstehen, sich als einen weltoffenen und diversitätsorientierten Studienort zu bezeichnen. Dies entspricht auch dem Interesse der Landesregierung, die baden-württembergische Hochschullandschaft weltweit zu positionieren und den internationalen Austausch in diesem Szenario zu verstärken (Quelle MWK Webseite 1 und 2).

3.5.2. Eine Befreiung der Studiengebühren für die gesamte Regelstudienzeit in der Bewerbungsphase soll möglich sein. 

Nach dem LHGebG ist es in bestimmte Fälle möglich, dass internationale Studierende eine befristete Befreiung der Studiengebühren bekommen. Es soll dafür nachgewiesen werden, dass sich die finanzielle Notlage, die die Zahlung der Gebühren verhindert, erst nach Beginn des Studium ergeben hat. Die Befreiung gilt außerdem nur für ein Semester. Diese Einschränkungen schließen neue (begabte) internationale Studierende aus, für die schon vor Studienbeginn die Höhe der Studiengebühr zu hoch ist. Deswegen soll es zusätzlich zu den geltenden Befreiungsmöglichkeiten eine Erweiterung geben, die es internationalen Studienbewerber*innen ermöglicht einen solchen Erlass für die gesamte Regelstudienzeit zu beantragen. Dies würde die finanzielle Planungssicherheit der Studierenden erhöhen und somit ein Studium in Baden-Württemberg attraktiver machen. 



Stipendien

3.5.3. Es soll ein Landesstipendiumsprogramm zur Förderung von internationalen Vollstudierenden aufgestellt werden.

Durch ein solches Stipendienprogramm sollen begabte internationale Studierende ihr Studium in Baden-Württemberg finanzieren können. Das Programm soll für Bachelor- und Masterbewerber*innen offen sein. Die Stipendien sollen in deren Leistungen mit den DAAD-Stipendien vergleichbar sein. Stipendiat*innen sollen monatliche Zuschläge für mitreisende Familienangehörige bekommen. Weiterhin sollen Zuschüsse für erforderte sprachliche Vorbereitungen oder Deutschkurse währen des Aufenthaltes in Deutschland abgedeckt werden. Die Finanzierung soll über die gesamte Studiendauer gehen. Die Bekanntgabe des Bewerbungsergebnisses soll mit genügend Zeit vor dem Studienbeginn gemacht werden, um die finanzielle Planungssicherheit der Bewerber*innen zu gewährleisten und die Zusage bei der Beantragung des Visums zu haben. Das Auswahlverfahren soll fachliche und außerfachliche Qualifikationen berücksichtigen.

Außerdem kann ein Rahmenprogramm mit Weiterbildungsmöglichkeiten, Workshops und Beratung für die Stipendiat*innen in die Stipendienleistungen integriert werden. Hiermit kann die Vernetzung der aktuellen und ehemaligen Stipendiat*innen verstärkt werden und die Entwicklung essentieller Kompetenzen für ein erfolgreiches Studium in Deutschland unterstützt werden.

Dieses Programm wird die Attraktivität des Studienortes Baden-Württemberg erhöhen und talentierte ausländische Studierende anlocken.


Basis-Programm

3.5.4. Hochschulen sollen ein Basisprogramm für internationale Studierende einführen, das hauptsächlich zur Unterstützung und Integration dienen soll.

Soziale Integration und Beteiligung der internationalen Studierenden am universitären Leben sowie der interkulturelle Austausch zwischen allen Studierenden gehören zu den wichtigsten Aspekten von Diversität an Hochschulen. Die Programme, welche diese Ziele anstreben, unter anderem internationalen Studierenden auch Beratungs- und Betreuungsdienste anbieten, übernehmen dabei eine wichtige Rolle. An den Hochschulen von Baden-Württemberg besteht ein Bedarf an solchen Programmen. Um Diversität in den Hochschulen strukturell zu verankern, die Abbruchquoten zu senken und neue internationale Studierende zu gewinnen, sollte jede Hochschule ein Basisprogramm für internationale Studierende einführen, welches als Modell für die Gesamtheit essenzieller Programme dienen soll, während es Freiraum für neue Ideen und weitere Projekte bietet. Das Basisprogramm soll aus drei Teilen bestehen, wobei die detaillierten Regelungen den Fachkräften, die durch Hochschulen eingesetzt werden, überlassen werden soll.

3.5.5. Die Hochschulen sollen ein Buddy-Mentoring-Programm für internationale Studierende einrichten.

Die internationalen StudienanfängerInnen benötigen in erster Linie am Anfang, beginnend mit ihrer Ankunft, Begleitung und Hilfe bei der Orientierung in ihrer neuen Umgebung. Diese Begleitung soll idealerweise freiwillig von einem*r Kommiliton*in angeboten werden, die bzw. der*die sich in der Stadt und dem Hochschulstandort gut auskennt. Ferner ist es gewünscht, dass die beiden Seiten ähnliche Interessen teilen, sowie ähnliche Studiengänge absolvieren. Freiwillige Studierende von der jeweiligen Hochschule mit internationalen Studienanfänger*innen passend zusammenzubringen, ist die erste Aufgabe der Hochschule im Rahmen des Buddy-Mentoring-Programms. Hierfür bietet sich ein Formular an, wodurch das Programm notwendige persönliche Informationen über die internationalen Studierenden, die sich für das Programm bewerben, und frewilligen Studierenden der Hochschule sammelt, um ein zufriedenstellendes Matching zu erstellen. Die Erstellung des Formulars sowie die präzise Methode für das Matching sind wiederum den von der Hochschule eingesetzten Fachkräften überlassen. 

Die Bekanntgabe des Matchingresultats soll eine gewisse Zeit vor dem Semesterbeginn erfolgen, damit die internationalen Studierenden, die nach ihrer Ankunft empfangen und zu ihrer Wohnanlage begleitet werden möchten dafür bereits jemanden habn, nämlich ihre Mentor*innen. Mentor*innen sollen ihre Mentees bei Formalitäten wie Wohnsitzanmeldung, in der Pandemie Informierung des Gesundheitsamts über die Einreise etc. , unterstützen und ihr Einleben in ihrem neuen Wohnort sowie an der Hochschule erleichtern.

Neben der gemeinsamen Freizeitgestaltung der Zweiergruppen soll das Programm Rahmenaktivitäten anbieten (Workshops, Freizeitaktivitäten, Ausflüge, Partys, Feiern kultureller Feste usw.), welche die Vernetzung aller Teilnehmenden verstärken.  

Ein passendes Modell ist das Interkulturelle Mentoringprogramm der Universität Stuttgart. Eine Ende 2019 durchgeführte umfassende Umfrage des Interkulturellen Mentoringprogramms, an der 650 Mentees und MentorInnen teilnahmen, ergab, dass 83,70% der Teilnehmenden das Programm wichtig bzw. sinnvoll fanden (Quelle).

3.5.6. Die Hochschulen sollen interkulturelle Trainings anbieten

Um die Zusammenarbeit von Mentor*innen und Mentees effektiver zu gestalten, empfehlen sich interkulturelle Trainings. Sie erleichtern das Kennenlernen verschiedener Kulturen sowie den Umgang mit kulturelleren Unterschieden. Insbesondere neu ankommende internationale Studierende profitieren von den genannten Trainings, da sich das als einen kürzeren Weg für sie erweist, sich mit dem lokalen Lebensstil, der Bürokratie und den weiteren sich von Land zu Land unterscheidenden Merkmalen vertraut zu machen. Zudem sorgen sie für das Networking. Da ein Ziel des Basis-Programms die Förderung interkultureller und sozialer Kompetenzen ist, was die Diversität und Toleranz im universitären Leben verstärkt, sowie der Ausbildung der Individuen in diesem Bereich einen hohen Stellenwert zuschreibt, spielen die Trainings dabei eine wichtige Rolle. An dieser Stelle ist zu erwähnen, dass sie diesem Ziel zufolge auch MitarbeiterInnen, die im direkten Kontakt mit internationalen Studierenden stehen - wie Beratungspersonal - einschließen sollen.

3.5.7. Die Beratungsmöglichkeiten an Hochschulen und Studierendenwerke sollen zugänglich für internationale Studierende sein.

Soziale, rechtliche und psychotherapeutische Beratungsmöglichkeiten für Studierende seitens der Hochschulen und Studierendenwerke sollen auch zugänglich und geeignet für internationale Studierende sein. Diese werden in den genannten Institutionen oft nur auf Deutsch angeboten. Des Weiteren können internationale Studierende aufgrund von Situationen wie Heimweh, kulturellen Unterschieden, Diskriminierung, sowie Überförderung durch Sprachbarrieren einen höheren Bedarf an psychotherapeutische Betreuung haben (Quelle 1, Quelle 2). Die Unterstützung in diesen Bereichen können eine signifikante Wirkung auf den Studienerfolg und somit auf die Abbruchquoten internationaler Studierender haben. Für eine angemessene Betreuung und Unterstützung von internationalen Studierenden sollen die Beratungsmöglichkeiten a) auch auf Englisch angeboten werden, b) durch Fachpersonal durchgeführt werden, die auch in interkulturellen Aspekten der Beratung geschult sind.

3.5.8. Die Finanzierung des Basisprogramms soll Teil der Internationalisierungsstrategie werden

Die Zentren und Programme, die sich für die oben beschriebenen Ziele einsetzen, unbefristet finanziell fördern. Die Finanzierung der Gestaltung und Personal müssen ein fester Haushaltspunkt sein bzw. sie sollen in die Internationalisierungsstrategie einbezogen werden.

Veranstaltungen und Beratungsangebote, die im Rahmen des Basis-Programms organisiert werden, sollen auf kein finanzielles Hindernis stoßen. Denn sie erleichtern den Studienbeginn und die Eingewöhnungsphase internationaler Studierender, begleiten internationale Studierende während ihres Studiums und helfen ihnen dabei, verschiedene Probleme -von studienbezogenen bis zu aufenthaltsrechtlichen- zu bewältigen. Sie sorgen für die Entstehung neuer sozialer Kontakte durch unterschiedlichste Freizeitangebote, Workshops und Seminare. Es ist wichtig anzumerken, dass diese nicht nur den Austausch unter internationalen Studierenden fördern, sondern alle Studierende und viele MitarbeiterInnen von Hochschulen mit einbeziehen. Damit sind sie auch dafür relevant, um eine aufgeschlossene interkulturelle Atmosphäre in der Hochschulesumgebung zu schaffen. Allen Studierenden sollte es möglich gemacht werden, von dieser Atmosphäre auf verschiedenen Ebenen zu profitieren. Außerdem sollen die MitarbeiterInnen von jeglichen finanziellen und organisatorischen Problemen entlastet werden, damit sie sich engagiert auf die Inhalte und Durchführung des Programmes konzentrieren können.




































4. Chancengleichheit

(Bildquelle)

Unterschiedliche Studien zeigen, dass Menschen aus Nichtakademiker*innenhaushalten deutlich seltener einen Hochschulabschluss erwerben. Zwischen Grundschule und Promotion gibt es für jeden Schritt weniger Nichtakademiker*innen, die die nächste Bildungsstufe erreichen. Die Gründe dafür sind unterschiedlich und nicht vollständig geklärt. Nichtakademiker*innen brechen ihr Studium deutlich häufiger aus finanziellen Gründen ab als Akademiker*innen. Auch scheint es plausibel, dass Nichtakademiker*innen Vorbilder, Informationen und Erfahrungswerte zum Studium fehlen und sie deshalb mehr Unsicherheit bei der Entscheidung für ein Studium als auch während des Studiums haben (Quelle 1, Quelle 2).


4.1. BAFöG & Wohngeld


Elternunabhängiges BAFöG

Die Aktuelle Gesetzeslage besagt, dass Anspruch auf elternunabhängiges BAFöG erst bei einer Zweitausbildung besteht oder ohne Ausbildung mindestens fünf Jahre Erwerbstätigkeit vorliegen muss. Nach der Erstausbildung muss der Antragsteller mindestens drei Jahre erwerbstätig sein, d. h. bei einem Studium unmittelbar nach z. B. einer Berufsausbildung besteht kein Anspruch auf elternunabhängiges BAFöG.
Dadurch ist man bei Beginn des Studiums mindestens 23  Jahre alt und kann damit erst mit mindestens 27 mit dem Beruf anfangen. Ein früherer Eintritt ins Berufsleben würde dem Fachkräftemangel in Deutschland entgegen wirken.

4.1.1. Der Anspruch auf elternunabhängige BAFöG soll ab dem dritten Jahr der Erwerbstätigkeit ohne Ausbildung bzw. unmittelbar nach der Berufsausbildung bestehen

4.1.2. Das Einkommen einer Ausbildung darf den BAFöG-Anspruch nicht verhindern

Der Zusatz „Dies gilt nur, wenn man in diesem Fall sich selbst unterhalten kann“ soll gelöscht werden, da das Einkommen während einer Berufsausbildung in keinem Fall ausreichend ist um sich selbst zu unterhalten.

4.1.3. Eltern, die Ihre Kinder während der Ausbildung unterstützen müssen, sollen in jedem Fall und unabhängig vom Alter einen Anspruch auf Kindergeld haben.

4.1.4. Das Mindestalters für elternunabhängiges BAFöG soll auf 25 Jahre herabgesetzt werden.

Eine weitere aktuelle Vorrausetzung ist, dass man, wenn die vorhin genannten Bestimmungen nicht zutreffen, ein Mindestalter von 30 Jahren haben muss um elternunabhängig gefördert zu werden.  Wir fordern, dass man das Alter auf 25 Jahre heruntersetzt, da Eltern ab diesem Zeitpunkt kein Kindergeld mehr bekommen und damit auch nicht mehr verpflichtet sind Ihre Kinder finanziell zu unterstützen. Eltern sollten davon ausgehen können, dass ihre Kinder ab dem 25. Lebensjahr nicht mehr von ihnen abhängig sind.

4.1.5. Zudem fordern wir, dass der Freibetrag, des Vermögens von Studierenden von 8.200 Euro auf 16.400 Euro erhöht werden.

Wie die Studie der FiBs belegt gibt ein*e Student*in durchschnittlich im Monat 867 Euro aus, das sind 10.404 Euro im Jahr. Wenn er*sie nun also eine Betrag von 8.200 Euro zur Verfügung hat, könnte er*sie maximal ein Jahr studieren und wäre dann am Ende seiner finanziellen Möglichkeiten.















Elternabhängiges BAFöG

4.1.6. Zur Berechnungsgrundlage des BAFöG zählen weder die monatlichen Mieten noch die Hypothekendarlehen für selbstgenutztes Wohneigentum. Hier entstehen für Eltern oft hohe Kosten.

4.1.7. Monatlichen Mieten und die Hypothekendarlehen sollen ohne Ausnahme zur Berechnungsgrundlage des BAFöG geltend gemacht werden können.

4.1.8. Außerdem müssen bei beiden Anträgen die Antragsbearbeitung schneller von statten gehen. Es ist für Studierende unzumutbar drei Monate auf den Antrag zu warten. 

4.1.9. Waisenrenten die an Studierende gezahlt werden, werden als Einkommen gezählt. Da die Waisenrente eine unterart des Unterhaltes ist, fordern wir, dass diese nicht zur Berechnungsgrundlage des Bafögs gezählt wird!


Bezahlbares Wohnen

Aktuell hat man nur dann ein Anrecht auf Wohngeld, wenn man „dem Grunde nach“ kein Anrecht auf BAFöG hat.

4.1.10. Studierende sollen ein Recht auf Wohngeld neben BAFöG haben

Wir fordern, dass es zusätzlich zum BAFöG ein Anrecht auf Wohngeld gibt, dessen Höhe sich nach den Mietpreisen in den Hochschulkommunen richtet, da die Wohnsituation in Städten verschieden ist und somit nicht im allgemeinen BAföG-Antrag berücksichtigt werden kann. 

4.1.11. Mieten von Studierenden sollen bezuschusst werden

Außerdem fordern wir, dass Vermieter, die an Studierende vermieten, einen Zuschuss erhalten, sodass die Miete für Studierende bezahlbar ist. Ein Beispiel hierfür ist die Stadt Freiburg, die bereits ein solches Konzept nachverfolgt.


4.2. Finanzierungsmöglichkeiten


Teilzeitbefristungsgesetz

4.2.1. Wir fordern, dass Studierende aus dem Teilzeitbefristigungsgesetz ausgenommen werden.

Die Aktuelle Gesetzeslage besagt, dass Studierende die in einem Teilzeitverhältnis arbeiten, maximum 2 Jahre und in dieser Zeit der Vertrag maximal 3- mal befristet verlängert werden darf. Nach Ablauf der 2 Jahre muss ein unbefristeter Vertrag angeboten oder gekündigt werden.
Es ist sehr unwahrscheinlich, dass Firmen Studierende unbefristet einstellen, da es durch eine plötzliche Exmatrikulation zu einem Ende einer Studierendenstelle kommt und die Firmen folglich verpflichtet wären die Studierenden weiter zu beschäftigen.


Chancengleiche Stipendien

4.2.2. Es soll mehr Stipendien geben, die weniger priviligierte Studierende fördern. Existierende Stipendien sollen den sozialen Hintergrund stärker berücksichtigen und weniger die reinen Studienleistungen.

Studierende aus Nicht-Akademiker*innen-Familien müssen öfter nebenbei arbeiten und haben deshalb weniger Zeit zum Lernen. Es ist dadurch schwieriger für diese, ständig gute Noten zu schreiben, was aber von den Stipendiengebern vorausgesetzt wird (meist muss man zu den besten 5-10% des Semesters gehören). Arbeiter*innenkinder werden im Gegensatz zu Migrant*innen, Frauen nicht speziell von Begabtenförderwerken gefördert.






Barrierearme Überbrückungskredite

4.2.3. Die Hochschulen sollen die Bereitstellung von zinsfreien, unbürkokratisch verfügbaren Überbrückungsdarlehen erwirken.

Die finanzielle Situation von Studieren ist von Natur aus sehr volatil. Ausgaben und Einnahmen verändern sich in schnellem Rhythmus und oft unvorhergesehen. Rückglagen können im Studium nicht gebildet werden. Für Situationen in denen z.B. der Job wegfällt oder sich die Belastung im Studium kurzfristig ändert, sollen zinsfreie, unbürokratisch verfügbare Überbrückungsdarlehen Studierende finanziell abfedern.

Vergleich mit KfW Kredit? geringere Volumina aber weniger Hürden/keine Zinsen oder geht das zu sehr ins Detail?

Studierendenwerke bieten vereinzelt Studienabschlussdarlehen an. So ähnlich aber besser/flexiblerer Zeitraum und vielleicht einheitlich in BW?

Flexiblere Studienmöglichkeiten & Teilzeitstudium

4.2.4. An allen Hochschulen in Baden Württemberg soll es die Möglichkeit für ein Studium in Teilzeit geben.

Vollzeitstudium und gleichzeitige berufliche Betätigung sind ohne Kompromisse nicht möglich. Für diejenigen, die für ihren Lebensunterhalt auf den Job angewiesen sind, soll es an allen Hochschulen (oder Hochschulstandorten) in Baden-Württemberg die Möglichkeit für ein Studium in Teilzeit geben.


Realistische Regelstudienzeiten als Bemessungsgrundlage

4.2.5. Regelstudienzeit soll reevaluiert werden oder die Finanzierungsmöglichkeiten an die tatsächliche Durchschnittsstudiendauer angepasst werden.

Die durchschnittliche Studiendauer steht in keinem Verhältnis zur Regelstudienzeit. Weil aber Finanzierungsmöglichkeiten wie das BAföG oder Stipendien sich an der Regelstudienzeit orientieren, sind BAföG-Empfänger*innen und Stipndiat*innen dadurch ungleich benachteiligt.


4.3. Finanzielle Barrieren abbauen


Verwaltungskostenbeitrag erlassen

4.3.1. Der Verwaltungskostenbeitrag soll BAföG-Empfänger*innen erlassen werden.

Der Verwaltungskostenbeitrag ist eine der notwendigen regelmäßigen Ausgaben, die im BAföG nicht berücksichtigt werden. Eine Regelung zu Erlass bzw. Rückerstattung wie an der Universität des Saarlandes soll die so entstehende Ungleichheit beheben.


Semesterticketzuschuss

4.3.2. Für bedürftige Studierende soll das Semesterticket bezuschusst werden. Langfristig soll die Landesregierung die Einführung einer landesweiten Semesterticket-Lösung unterstützen und bezuschussen.

Zuverlässige Mobilität ist Grundvoraussetzung für ein erfolgreiches Studium. Die meisten Studierenden sind dabei auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen.


Keine kostenpflichtigen Zusatzangebote

4.3.3. Alle Bildungsangebote an staatlichen Hochschulen (auch Sprachkurse/ freiwillige Weiterbildungsangebote) müssen gebührenfrei zur Verfügung stehen.

Finanzielle Ressourcen sollen sich so wenig wie möglich auf Breite und Qualität der in Anspruch genommenen Lehre auswirken.


Keine versteckten Zusatzkosten beim Studieneinstieg

4.3.4. Für das Studium unentbehrliche Ausrüstung (z.B.: Literatur, Zeichenmaterialien, IT...) sollen Studierenden von den Hochschulen zugänglich gemacht werden. Es soll die Möglichkeit geben Investitionen beim Studieneinstieg mit einem zinsfreien Darlehen zu decken.

Studiengangsabhängig müssen Studierende hohe Summen für Material und Ausrüstung aus eigener Tasche investieren, manche Studis sind besonders zu Beginn des Studiums benachteiligt, was die (vor allem für ein online-Studium nötige) technische Ausstattung angeht. Bestehende Angebote sind oft nicht ausreichend beworben.


Förderung des Hochschulsports

4.3.5. Die Teilnahme am Hochschulsport soll flächendeckend gefördert werden sodass Beiträge unter 30€ pro Semester unabhängig von der Disziplin garantiert werden.

Die Pandemie hat uns noch einmal den Beitrag, den regelmäßiger Sport zum Studium leistet, vor Augen geführt.


Gleicher Zugang zu Auslandssemestern

4.3.6. Auslandssemester-Stipendien sollen mit anderen Stipendien kombinierbar sein.

Auslandssemester stellen eine große finanzielle Belastung dar und stehen deshalb häufig nur finanziell priviligierten Studierenden offen. Stipendien können eine (Teil-)Finanzierung des Auslandssemesters ermöglichen, sie lassen sich jedoch nicht mit existierenden Stipendien kombinieren.


4.4. Chancengleicher Weg zum Studium


Mehr Aufklärung über Studienfinanzierungsmöglichkeiten

4.4.1. Die Hochschulen müssen bei ihren Kampagnen zur Gewinnung von Studierenden immer auch das Thema Studienfinanzierung erwähnen und über die Finanzierungsmöglichkeiten aufklären.

Bei Nichtakademiker*innen spielen häufig die Bedenken, ob man sich ein Studium leisten kann, eine Rolle. Viele Schüler*innen sind nicht gut über die unterschiedlichen Möglichkeiten informiert, wie man ein Studium finanzieren kann und schrecken deshalb vor einem Studium zurück. Deshalb muss es mehr Informationskampagnen direkt an den Schulen geben, die darüber aufklären, wie man sich ein Studium finanzieren kann. In bisherigen Studieninformationsprogramme sollte der Punkt Studienfinanzierung verstärkt behandelt werden.


Eltern einbeziehen bei Studieninformation

4.4.2. Die Hochschulen sollten bei ihren Kampagnen zur Gewinnung von Studierenden explizit auch die Eltern ansprechen und sie über die Vorteile eines Studiums aufklären.

Eltern informieren sich meist nicht von selbst (Scham, Peinlichkeit), Infotag für Eltern ist sinnvoll (Informationen über Studium, was damit alles zusammenhängt und wie das Kind unterstützt werden kann), Hochschulen sollten Eltern mehr mit einbeziehen und Infoseiten für Eltern einrichten (z.B. Links, wo man sich überall informieren kann).


Mehr Unterstützung bei der Studienwahl

4.4.3. Die Angebote zur Studieninformation und Hilfen bei der Studienwahl sollen ausgebaut werden.

Die Entscheidung für ein Studium und die Wahl eines Studienfachs fallen umso schwerer je weniger akademische Erfahrung in der Familie vorhanden sind. Studieninformationstage, Schnupperstudientage und ähnliche Angebote helfen bei der Bewältigung dieser Aufgaben und sollten deshalb weitergeführt und ausgebaut werden.


Studieren mit beruflicher Qualifikation erleichtern

4.4.4. Meister*innen und Leute mit Berufserfahrungen sollen eine Hochschulzugangsberechtigung erhalten.

Der Weg zum Studium führt für viele nicht über das Abitur. Insbesondere bei Nichtakademiker*innen ist der Druck einer bezahlten Tätigkeit nachzugehen hoch, sie entscheiden sich jedoch häufig später doch noch ein Studium antreten zu wollen. Dafür sollen Möglichkeiten geschaffen werden, indem - ähnlich wie in Nordrhein-Westfalen - Meister*innen eine allgemeine Hochschulzugangsberechtigung und Studieninteressent*innen mit 3 Jahren Berufserfahrung eine fachgebundene Hochschulzugangsberechtigung erhalten.


4.5. Unterstützungsangebote für Nichtakadmiker*innen


Beratungsangebote ausweiten

4.5.1. Die Hochschulen sollen ihre Beratungsangebote ausbauen und besser zugänglich machen. Insbesondere auf die Bedürfnisse von Nichtakademiker*innen sollte eingegangen werden.

Nichtakademiker*innen brechen doppelt so häufig ihr Studium ab wie Akademiker*innen (Quelle). Gründe dafür sind weniger Unterstützung von den Eltern, weniger Wissen über die Anforderungen des Studiums und generell mehr Unsicherheit über die eigene Eignung für ein Hochschulstudium. Um dem entgegenzuwirken, sollten die Hochschulen mehr Beratungsangebote einrichten, um Studierende zu unterstützen. Inbesondere auf die Bedürfnisse von Nichtakademiker*innen sollten dabei eingegangen werden.


Beratungswegweiser erstellen

4.5.2. Die Hochschulen sollen an einer zentralen Stelle einen Überblick über alle ihre Beratungsangebote informieren

Die Beratungslandschaft kann aufgrund der VIelzahl der Angebote schnell unübersichtlich werden. Deshalb ist es wichtig, allen Studierenden zu erklären, welche Beratungsangebote es gibt und welche sie in Anspruch nehmen können. VIele Studierende wissen nicht, dass sie Unterstützung bekommen können und dass es spezifische Beratungsangebote gäbe. Deshalb muss mit einem Wegweiser der Zugang zu Angeboten vereinfacht werden.


Mentoringprogramme einrichten

4.5.3. In allen Studiengängen muss es Mentor*innenprogramme geben, die Studienanfänger*innen beim Studienstart und der Studienorganisation unterstützen.

Mentor*innen, bspw. Studierende des gleichen Fachs aus höheren Semestern, bieten einen wertvollen Erfahrungsaustausch und helfen bei der Studienorganisation, die viele Studierende vor Herausforderungen stellt. Da Nichtakademiker*innen häufiger Ansprechpersonen fehlen, helfen Mentoringprogramme dabei, dass alle Studierenden unterstützt werden und ihr Studium erfolgreich meistern können.


5. Studieren in besonderen Lagen


5.1. Studieren mit Kind oder Familie

Studierenden mit Kind ein gleichberechtigtes Studium ermöglichen

Das Studium mit Kind beziehungsweise mit pflegebedürftigen Angehörigen ist eine große Herausforderung und eine erhebliche Mehrbelastung. Studium und Familie müssen jedoch miteinander vereinbar sein, deshalb sollte das Studium familienfreundlicher gestaltet werden und Studierende mit Kind und Familie dürfen nicht benachteiligt werden.

5.1.1. Die Durchführbarkeit und Attraktivität des Studierens mit Kind soll deutlich verbessert werden

Vereinbarkeit von  Studium und Familie erhöhen

5.1.2. Für Studierende mit Kind soll es die Möglichkeit eines Teilzeitstudiums in allen Studiengängen geben

siehe 4.2.3. Flexiblere Studienmöglichkeiten & Teilzeitstudium

5.1.3. BAFöG- und Sozialhilfe-Anträge sollen gemeinsam eingereicht werden können

Eine zusätzliche Hürde bei der Finanzierung des Lebensunterhaltes ergibt sich daraus, dass Studierende mit Kind für den eigenen Lebensunterhalt BAFöG und für den des Kindes Sozialhilfe beantragen müssen. Es sollte die Möglichkeit geben den Antrag auf Sozialhilfe für das Kind gemeinsam mit dem BAFöG-Antrag beim BAFöG-Amt einzureichen, welches dann die weiteren Verwaltungsvorgänge für beide Anträge koordiniert

5.1.4. Pflichtveranstaltungen sollten nicht nach 18:00 Uhr oder am Wochenende stattfinden

Da studentische Eltern häufig auf Kinderbetreuung angewiesen sind, können sie an späten Veranstaltungen oder am Wochenende nicht teilnehmen.

5.1.5. E-Learning Angebote sollen ausgebaut werden

Online-Vorlesungen, Vorlesungsaufzeichnungen und andere digitale Lehrkonzepte helfen Studierenden mit Kind oder pflegebedürftigen Angehörigen dabei ihr Studium besser bestreiten zu können und sollten deshalb ausgebaut werden.

5.1.6. Studierenden mit Kind oder Familie sollen bei der Kurswahl bevorzugt werden

In den Campus-Management-Systemen sollte hinterlegt werden, wenn Kinder oder andere Angehörige von Studierenden gepflegt beziehungsweise betreut werden. Bei der Wahl von Kursen sollten sie bevorzugt werden, um die Vereinbarkeit von Studium und Familie zu erhöhen.

Unterstützungsangebote ausweiten

5.1.7. Studierenden mit Kind sollen hochschulnahe Kitaplätze zu Verfügung stehen

Zwar ist der Kita-Ausbau generell nicht Sache der Hochschulen, jedoch können die Hochschulen beispielsweise über die Studierendenwerke eigene Betreuungsangebote anbieten und so sicherstellen, dass Studierende (und ggf. auch Mitarbeitende) Betreuungsmöglichkeiten für ihre Kinder in der Nähe der Hochschule zu Verfügung stehen.

5.1.8. An den Hochschulen soll es Kurzzeit- und Randzeitbetreuungsangebote für Studierende mit Kind geben

Die für die Studierenden zu Verfügung stehenden Kitaplätze sollen an die besonderen Bedingungen angepasst werden und auch Kurzzeitbetreuung und Betreuung zu Randzeiten anbieten. Somit soll sichergestellt werden, dass Studierende mit Kind in jedem Fall an Lehrveranstaltungen teilnehmen können. Da Kinderbetreuung häufig die größte Sorge für Studierende mit Kind ist, trägt diese Maßnahme effektiv dazu bei, dass Studium und Familie besser vereinbar werden.

5.1.9. Die Anzahl der Eltern-Kind-Räume und das Angebot von Wickeltischen in Hochschulgebäuden soll ausgeweitet werden.

5.1.10. Beratungsangebote für Studierende mit Kind und Familie sollen ausgebaut werden.


5.2. Aufklärung und Entstigmatisierung von Behinderungen und chronischer Erkrankung

Zwei Drittel der Studierenden mit Einschränkungen sind nicht direkt als Studierende mit Einschränkung für Außenstehende erkennbar. Dies führt dazu, dass nur 29% der Studierenden mit Beeinträchtigung Hilfeangebote anfragen (Quelle).


Flächendeckende Aufklärung über Einschränkungen

5.2.1. Die Hochschulen sollen mehr über Einschränkungen und die Berechtigung für Nachteilsausgleiche aufklären, damit alle Studierenden, die Anspruch auf Nachteilsausgleich haben, auch darüber Bescheid wissen.

Studierende und Lehrende müssen umfassender darüber aufgeklärt werden, was es bedeutet mit Einschränkungen zu studieren. Die Denkweise, dass nur geh-, seh- oder höreingeschränkte Menschen Anspruch auf Unterstützung haben muss durchbrochen werden. Drei Viertel der Einschränkungen sind psychische oder chronisch-somatische Erkrankungen (Quelle). Studierenden muss klar gemacht werden, dass es sehr viele Gründe gibt, die einem den Anspruch auf Nachteilsausgleich geben. Lehrenden muss verdeutlicht werden, dass man Studierenden nicht ansehen kann, ob sie Einschränkungen/Erkrankungen haben oder nicht. Das Aufsuchen von Unterstützungsangeboten muss verbreitet und entstigmatisiert werden.

5.2.2. Die Hochschulen sollen in ihrem Öffentlichkeitsauftritt klar darstellen, wann Studierende für Nachteilsausgleiche berechtigt sind und Beratungsstellen bewerben.

5.2.3. Die Hochschulen sollen als Teil der Studieninformation unter anderem im Rahmen der Einführungsveranstaltungen alle Studierenden über das Thema Nachteilsausgleiche informieren.

5.2.4. Die Hochschulen sollen Workshops anbieten, in denen Lehrende für besondere Bedarfe von Studierenden sensibilisiert werden.











Kostenfreie Angebote zum Erlernen der deutschen Gebärdensprache

Neben den Fremdsprachen (Spanisch, Französisch, etc.) sollen an den Sprachenzentren auch Angebote zum Erlernen der deutschen Gebärdensprache eingeführt werden. Aktuell sind solche Angebote an sehr wenigen Hochschulen vorhanden und wenn dann häufig kostenpflichtig. 


5.3. Inklusive Lehre


Proaktive Berücksichtigung von Einschränkungen

5.3.1. Die Hochschulen sollen von sich aus Lehrveranstaltungen und Prüfungen barrierefrei planen, wenn Studierende mit besonderen Bedarfen teilnehmen.

Derzeit müssen Studierende meist selbst darauf aufmerksam machen, wenn sie aufgrund ihrer Einschränkungen Lehrangebote nicht nutzen können. Diese Aufgabe sollte nicht den Studierenden angelastet werden. Die Hochschulen müssen selbst über die Einschränkungen der Studierenden Bescheid wissen und bei der Planung der Lehre schon einen barrierefreien Zugang ermöglichen (bspw. barrierefreie Vorlesungssäale).

5.3.2. Skripte und weitere Vorlesungsmaterialien sollen Studierenden (insb. Studierenden mit Behinderung oder körperl./ment. Krankheiten und Störungen) vor der Vorlesung zur Verfügung gestellt werden.

Skripte und andere Vorlesungsmaterialien sollen Studierenden (insb. mit Behinderung oder körperl./ment. Krankheit) immer zur Verfügung gestellt werden. Durch wiederkehrende Krankheitsschübe ist es Studierenden mit chronischen Erkrankungen nicht immer möglich, an den Vorlesungen teilzunehmen oder mit der geforderten Aufmerksamkeit dabei zu sein. Studierende mit mentalen Krankheiten und Lernstörungen wird ein Studium durch konstantes Multitasking (zuhören, mitschreiben) erschwert und eine mangelnde Konzentration oder Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben wirken sich schlecht auf die Endnote aus. Wenn besagte Studierende direkt in den Skripten mitschreiben können, bleibt mehr Kapazität zur tatsächlichen Wissensaufnahme.


Mehr Unterstützung durch Hilfsmittel

5.3.3. Technische Hilfsmittel für Studierende sollen dauerhaft ausgeliehen werden können und nicht alternierend genutzt werden.

Häufig werden Hilfsmittel wie mobile Rampen oder Mikroportanlagen verliehen und von mehreren Studierenden gleichzeitig genutzt. Dies bedeutet zusätzlichen Aufwand für die Studierenden, da die Hilfsmittel auf den*die jeweilige*n Student*in eingestellt werden müssen und abgeholt und zurückgebracht werden müssen. Außerdem kann es sein, dass die Hilfsmittel nicht zu Verfügung stehen, wenn sie gerade ausgeliehen sind.

5.3.4. Die Hochschulen sollen mehr technische Hilfsmittel anschaffen, um die Studierenden zu entlasten.

Technische Hilfsmittel stehen oft nur begrenzt zu Verfügung und werden nur kurzzeitig verliehen. Die Hochschulen sollten die Studierenden besser unterstützen und die Hilfsmittel, die gebraucht werden in ausreichender Anzahl anschaffen, damit die Studierenden hinreichend unterstützt sind und die Hilfsmittel nicht selbst finanzieren müssen.


Umgehungsmöglichkeiten für Anwesenheitspflichten bieten

5.3.5. Die Hochschulen sollen Fehlstunden bei Veranstaltungen mit Anwesenheitspflicht für Studierende mit chronischen Erkrankungen ermöglichen.

Studierende mit chronischen Erkrankungen können krankheitsbedingt nicht immer an Lehrveranstaltungen mit Anwesenheitspflicht teilnehmen. Aus diesem Grund sollen Abwesenheiten bei vorliegen einer solchen Erkrankung oder durch ärztliches Attest nicht zu einer Wiederholung des Moduls führen, sofern das nicht dringend notwendig ist. 

5.3.6. Die Hochschulen sollen Ausnahmen bei der vorgegebenen Tageszahl von Praxissemestern durch Krankheit zulassen.

Bei verpflichteten praktischen Studiensemestern liegt in nahezu allen Fällen eine Anzahl an Tagen vor, die im jeweiligen Betrieb absolviert werden müssen (ca. 100). Leidet eine Person an einer chronischen Erkrankung und ist dadurch durch teilweise unvorhersehbare Schübe mehrere Tage arbeitsunfähig, kann diese Anzahl nicht erreicht werden. Die Tage müssen in darauffolgenden Semesterferien nachgeholt werden. Handelt es sich um mehrere nachzuholende Monate oder sind die Studierenden durch finanzielle Verpflichtungen verhindert, zieht sich das Studium dadurch in die Länge. Aus diesem Grund soll die Anzahl der Tage im Praxissemester bei nachweislicher Krankheit flexibel gestaltet werden.


Atteste ohne Krankheitsgrund

5.3.7. Die Hochschulen sollen Atteste (z.B. zum Prüfungsrücktritt) auch ohne Angabe des Krankheitsgrundes akzeptieren.

Kann an einer Prüfungsleistung nicht teilgenommen werden, muss ein ärztliches Attest vorgewiesen werden. Dieses muss an vielen Hochschulen den Krankheitsgrund beinhalten. Gerade für Studierende mit psychischen Erkrankungen stellt dies eine Hürde da, da die Hochschule die Erkrankung mitbekommt. Aus diesem Grund sollen ärztliche Atteste ohne Angabe der Krankheit von Hochschulen anerkannt werden.


5.4. Fairer Nachteilsausgleich


Vereinfachung von Nachweisen

5.4.1. Beim Nachweis von Beeinträchtigungen soll die fachärztliche Begründung ausreichend sein und auf eine Begründung, warum die Beeinträchtigung eine Konsequenz für das Studium hat, möglichst verzichtet werden.

Studierende mit Behinderung müssen eine erhebliche Mehrbelastung bewältigen, nicht nur weil sie eine Behinderung haben, sondern vor allem, weil der Ausgleich der Behinderung einen erheblicher Organisations- und Bürokratieaufwand nach sich zieht. Es ist ungerecht den Studierenden die alleinige Beweislast zuzuschreiben. Es sollte genügen eine Behinderung nachzuweisen und nicht notwendig sein als betroffene Person selbst darzulegen, warum man Unterstützung benötigt. Wenn Studierende mit einem ärztlichen Gutachten eine Behinderung nachweisen können muss die Hochschule auf sie zugehen und mit ihnen zusammen eine individuelle Lösung finden.

5.4.2. Frühere medizinische/psychologische Atteste sollen vorläufig anerkannt werden, sodass die Frist zur Vorlage aktueller Atteste bis kurz vor der Prüfungsleistung ausgeweitet werden kann.

Um einen Nachteilsausgleich zu beantragen müssen Studierende ein aktuelles ärztliches/psychologisches Attest vorlegen. Die Frist dafür endet nur ca. 1-3 Monate nach Semesterstart. Insbesondere für Erstsemester-Studierende kann dies eine Hürde sein. Termine bei Fachärzt*innen oder Psychotherapeut*innen haben gerade in Großstädten Wartezeiten von bis zu 6 Monaten. Durch die kurze Frist zur Einreichung ist es für einige Studierende nicht möglich, den Nachweis bis zu diesem Punkt einzureichen. Lösung wäre eine Anerkennung der Diagnose aus früheren Attesten zur Bestätigung des Nachteilsausgleichs sowie eine längere Frist zur Nachreichung des aktuellen Attests. 

5.4.3. Die Hochschulen sollen durch Beratungsstellen Hilfestellung bei der Suche nach geeigneten Fachärzt*innen geben.

Wie in 5.4.2. erwähnt, ist es für viele Studierende schwer, in kurzer Zeit ein aktuelles Attest ihrer Krankheit oder Behinderung zu bekommen. Gerade bei Neuerkrankten gestaltet sich die Suche schwierig, da sie oftmals von einer Stelle zur nächsten geschickt werden, bis sie die richtige Hilfe gefunden haben. Aus diesem Grund sollen Hochschulen die Studierenden beraten und Stellen aufzeigen, an denen sie ein benötigtes Attest oder eine Erstdiagnose schnell bekommen können.

Hier würde ich noch einbringen, dass der Nachweis einer Notenverschlechterung durch Behinderung/Krankheit Studierende mit angeborenen Behinderungen/Krankheiten per se ausschließen.

Transparente Bearbeitung von Nachteilsausgleichen & Härtefallanträgen

5.4.4. Die Hochschulen sollen Anträge auf Nachteilsausgleich und Härtefälle transparent bearbeiten, indem sie ihre Bescheide begründen und vergangene Bescheide archivieren und zugänglich machen.

Studierende, die einen Antrag auf Nachteilsausgleich stellen, sind gänzlich von der Entscheidung des Prüfungsausschusses abhängig. Wenn Anträge abgelehnt werden ist dies häufig für Studierende nicht nachvollziehbar. Da kein Dialog zwischen Prüfungsauschuss und Antragsteller*innen stattfindet, können Missverständnisse nicht ausgeschlossen werden und gegen fehlerhafte Bescheide kann nur sehr schwer vorgegangen werden. Eine transparenter Beschluss ermöglicht es die Entscheidung nachzuvollziehen und bei Fehlern Widerspruch gegen den Beschluss einzureichen. Das zu Verfügung stellen von alten Anträgen hilft Studierenden beim verfassen von guten Anträgen.

5.4.5. Durch eine neutrale Kommission soll die Vergabe von Nachteilsausgleichen sowie die Annahme von Härtefallanträgen regelmäßig kontrolliert werden. 

Wenn die Gremien, die Nachteilsausgleiche und Härtefälle genehmigen, regelmäßig Bericht an eine unabhängige Kommission abgeben, können Muster in der Vergabe entdeckt werden. Dies dient der Sicherstellung von der Chancengleichheit aller Studierender unabhängig von Semester und Studiengang, sowie auch der Entdeckung von Krankheiten, Behinderungen und Störungen, die insbesondere bei der Vergabe von Nachteilsausgleichen durch das Raster fallen. So kann eine konstante Weiterentwicklung der Regularien, sowie gleiche Chancen für alle Studierenden gewährleistet werden.


Aktualisierung des Leitfadens zum Nachteilsausgleich des Deutschen Studierendenwerkes

5.4.6. Der Leitfaden des deutschen Studierendenwerkes zum Umgang mit chronischen Erkrankungen und Einschränkungen soll überarbeitet werden, sodass auch für Studierende, deren Einschränkung einen zentralen Leistungsbestandteil umfasst die Möglichkeit auf einen Nachteilsausgleich bekommen. Auch neue medizinische Erkenntnisse sollen einbezogen werden.

Das Deutsche Studierendenwerk hat einen Leitfaden zum Umgang mit Studierenden mit chronischen Erkrankungen und Einschränkungen herausgegeben, in dem der Nachteilsausgleich geregelt ist. In der Regelung ist festgehalten, dass Studierende mit Einschränkungen im Bereich der zentralen Leistungsbestandteile keinen Nachteilsausgleich erhalten können. Diese umfassen unter anderem die Konzentrationsfähigkeit. Bei verschiedenen Krankheiten und Störungen, insbesondere AD(H)S, ist ebendiese eingeschränkt, weshalb Studierende mit dieser oder ähnlichen Störungen keinen Nachteilsausgleich erhalten können und somit höheren Anforderungen gerecht werden müssen. Das Dokument soll überarbeitet werden um Chancengleichheit zu gewährleisten und auch Studierenden, die in einem der zentralen Leistungsbestandteile eingeschränkt sind die Möglichkeit auf eine faire Klausur geben. Studierende sollen nach ihrer tatsächlichen akademischen Leistung, nicht nach ihrer Einschränkung beurteilt werden.

Zudem soll der Absatz, in dem eine verminderte Konzentrationsfähigkeit als persönliche Eigenschaft bezeichnet wird, herausgestrichen werden. Eine psychische oder körperliche Erkrankung/Störung ist keine persönliche Eigenschaft.


5.5. Unterstützung ausweiten


Ausbau der Angebote für Studierende mit chronischen Erkrankungen

Abseits der psychotherapeutischen Beratungsstelle gibt es keine Angebote von Seiten der Studierendenwerke, bei denen Studierende mit chronischen Erkrankungen sich informieren und ggf. Hilfe holen können. Gerade nach einer neuen Diagnose sind Studierende häufig auf sich alleine gestellt. Sie bekommen ärztliche Unterstützung, wissen jedoch nicht, wie sie im Hochschulkontext agieren können. 

5.5.1. Die Hochschulen sollen Beratungsstellen mit im Bereich der chronischen Erkrankungen ausgebildetem Fachpersonal zur Verfügung stellen.

Gleich dem Angebot der psychotherapeutischen Beratungsstelle soll es auch eine Stelle für Studierende mit chronischen Erkrankungen geben. Aktuell sind vor allem Professor*innen als Beauftragte für Studierende mit Behinderung und chronischen Erkrankungen zuständig, der*die zwar im Bereich der Studiengestaltung und des Nachteilsausgleichs beraten kann, nicht jedoch medizinische Ratschläge geben kann und darf. Aus diesem Grund soll medizinisch ausgebildetes Fachpersonal oder ggf. Studierende des eines höheren Semesters des Studienganges Medizin als Ansprechpartner*innen bereitstehen. Insbesondere Krankheiten wie Endometriose oder Multiple Sklerose werden häufig erst im Alter von 20-30 Jahren erkannt oder entstehen in diesem Alter.  


Entscheidung über Hochschulzulassung nach mehr Kriterien als der Abschlussnote

5.5.2. Neben der Note der Hochschulzugangsberechtigung sollen auch allumfassende Begutachtungen der Bewerber*innen, wie Motivationsschreiben, Aufnahmeprüfungen, persönliche Gespräche, relevante Arbeitserfahrung und freiwilliges Engagement gewertet werden.

In nahezu allen Hochschulen Baden-Württembergs ist die (Fach-)Abiturnote das alleinige Zulassungskriterium zum Studium. In einigen Studiengängen, wie z.B. Medizin oder Psychologie, werden Notenschnitte im sehr guten Einserbereich gefordert. Für Studierende mit chronischen Erkrankungen ist es durch eine hohe Anzahl an Fehlstunden oder fehlenden Nachteilsausgleichen in der Schule schwieriger, einen solchen Notenschnitt zu erreichen und über diesen mit körperlich und psychisch gesunden Menschen verglichen zu werden. Bei der Zulassung zu einem Studium sollte daher die allgemeine Begutachtung der Schüler*innen erfolgen. Diese kann neben der Note der Hochschulzugangsberechtigung auch Motivationsschreiben, umfassende Aufnahmeprüfungen, persönliche Gespräche oder Arbeitserfahrung und freiwilliges Engagement beinhalten. 





Studienfinanzierung bei Behinderung und chronischen Erkrankungen mentaler und körperlicher Art

Studierende mit Behinderung und chronischer Erkrankung haben im Studienalltag mit Barrieren zu kämpfen, die sie sowohl in der Erbringung von Leistungen sowie in ihrer Tagesgestaltung äußern. Durch die erhöhte Belastung und den dadurch entstehenden höheren Zeitaufwand (z.B. durch fehlende Barrierefreiheit in der Fortbewegung, längere Lerndauer, etc.) ist es Studierenden nicht immer möglich, neben dem Studium zu arbeiten. 

5.5.3. Es soll mehr Stipendienangebote explizit für Studierende mit chronischen Erkrankungen mentaler und körperlicher Art geben und Leistungsstipendien sollen die Mehrbelastung Studierender mit Erkrankung oder Behinderung berücksichtigen.

Die meisten Stipendien richten sich an Studierende mit besonders hohen akademischen Leistungen, Studierende aus sozial schwachen Familien oder Nichtakademiker*innen-Familien, sowie vereinzelt an Studierende mit körperlichen Behinderungen. Nach aktuellem Stand werden insbesondere nicht-sichtbare chronische Erkrankungen körperlicher und psychischer Art in nahezu keinem Stipendium erwähnt. Wir wünschen uns, dass es mehr Stipendien gibt, die sich explizit an diese Studierenden richten, da sie ebenfalls mit erheblichen Problemen in der Alltagsbewältigung, insbesondere finanzieller Art, zu kämpfen haben oder dies bei Leistungsstipendien stärker berücksichtigt wird.

5.5.4. Die gesundheitlichen Hintergründe von Studierenden sollen bei BAFöG Anträgen berücksichtigt werden.

In dem Bafög Antrag wird aktuell nicht nach chronischen und psychischen Erkrankungen sowie Behinderung gefragt. Da Studierende mit diesen Einschränkungen häufig durch Medikamente oder technische Inklusionsmaßnahmen erhöhte Ausgaben haben und in einigen Fällen nicht in der Lage sind, sich ihr Studium durch Werkstudierendenjobs zu finanzieren, sollen die Einschränkungen in die Bafög-Vergabe einbezogen werden. 


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